Sauber ist nicht rein: wie Kunststoff für die Medizin im Reinraum verarbeitet wird
Sauber ist nicht rein: wie Kunststoff für die Medizin im Reinraum verarbeitet wird

Sauber ist nicht rein: wie Kunststoff für die Medizin im Reinraum verarbeitet wird

In einem Reinraum oder einem Reinstraum wird unter strengen Hygienebedingungen geforscht, produziert oder therapiert. Bekannt ist vor allem die Fertigung von Computerchips. Aber auch Kunststoffprodukte für die Medizin werden im Reinraum gefertigt. Deshalb beschäftigen wir von Wickert uns in diesem Blog mit dem Thema „Reinraum“.

Was ist ein Reinraum?

Beim Reinraum handelt es sich um einen geschlossenen Raum mit hohen hygienischen Ansprüchen. Verunreinigungen durch Bakterien und Partikel in der Luft und auf Oberflächen sollen möglichst gering gehalten werden. Diese Umgebungsbedingungen benötigen manche Industrieunternehmen, um besonders anspruchsvolle, zum Beispiel sterile Produkte herstellen zu können. Forschungseinrichtungen brauchen ein solches Umfeld für bestimmte Laborexperimente.

Wie funktioniert ein Reinraum?

Ein Reinraum ist zum Schutz vor Verunreinigungen gegenüber der Außenwelt abgeschirmt. Wer hinein möchte, muss spezielle Schutzkleidung tragen und eine Schleuse passieren. Denn der Mensch ist meist der größte Schmutzverursacher, er verliert Haare, Hautschuppen, von seiner Arbeitskleidung lösen sich Flusen ab. Im Inneren eines Reinraums werden die Temperatur, Feuchtigkeit, Luftdruck und Luftströme genau geregelt und laufend überwacht.

Es gibt verschiedene Klassen von Reinräumen

Für unterschiedliche Anforderungen an die Reinheit gibt es verschiedene Reinraumklassen. Diese sind in unterschiedlichen Normen festgelegt. Sie schreiben vor, wie viele Schmutzpartikel in welcher Größe in einem Kubikmeter Luft eines Raumes enthalten sein dürfen. Hierbei werden Partikel mit einer Größe von 0,1 µm bis 5 µm (Mikrometer) untersucht. Das ist sehr klein. Zum Vergleich: Ein Staubkorn ist etwa 5 µm groß, ein menschliches Haar hat sogar einen Durchmesser von etwa 60 µm. Ein µm ist ein Mikrometer, also ein Tausendstel Millimeter.

Wie Reinräume in Klassen unterteilt werden können, regelt beispielsweise die Norm „EN ISO 14644“. Ihr zufolge gibt es neun Reinraumklassen, die mit ISO 1 bis ISO 9 bezeichnet werden. ISO 1 beschreibt die strengsten Hygieneanforderungen. Umgangssprachlich nennt man Räume der Kategorien ISO 1 bis ISO 3 mit einem sehr hohen Reinheitsgrad auch „Reinsträume“.

Neben der EN ISO 14644 und weiteren Normen sowie EU-Richtlinien sind international vor allem Vorschriften aus den USA wichtig. Hierzu gehören die GMP (Good Manufacturing Practice) und Vorgaben der FDA (Federal Drug Administration) für die Medizin- und Pharmabranche.

In diesen Branchen wird im Reinraum oder Reinstraum gearbeitet

Dass die Halbleiterindustrie unter Reinraumbedingungen fertigt, ist den meisten Menschen bekannt. Doch daneben gibt es noch weitere Branchen, bei denen eine sehr saubere Arbeitsumgebung gefordert wird:

  • in der Optik- und die Lasertechnologie
  • in der Luft- und Raumfahrtechnik
  • in der Nanotechnologie, wo es um kleinste Teilchen geht
  • in den Biowissenschaften
  • in der medizinischen Forschung und Therapie
  • in der Lebensmittelindustrie
  • in der Pharmaindustrie

Maschinen und Geräte sind potenzielle Schmutzquellen

Neben dem Menschen sind auch Maschinen und Geräte mögliche Quellen für Verunreinigungen. Da wir von Wickert Weltmarktführer für Reinraumpressen sind, können wir einige wichtige Punkte nennen, auf die wir bei unseren Anlagen achten.

Reinraum-Beispiel: Produktion von Verschlussstopfen für Corona-Impfstoffe

2020 und 2021 haben wir eine ganze Reihe von Reinraumpressen zur Fertigung von Verschlussstopfen für Corona-Impfampullen aus Kunststoff gebaut. Diese Elastomere heißen korrekt „Butylkautschuk“ (IIR) oder „Brombutylkautschuk“ (BIIR), umgangssprachlich nennt man sie Gummi. Bestellt wurden die Pressen von Zulieferern der Pharmaindustrie auf der ganzen Welt. Damit haben sie dann Milliarden von Gummistöpseln produziert, als Stöpsel für den Corona-Impfstoff.

Was ist so schwierig daran, einen Gummistöpsel zu produzieren?

Die Fertigung von Verschlussstopfen für Impfampullen ist durchaus anspruchsvoll. Sie kommen mit dem empfindlichen Impfstoff in Berührung und sollen die hochreinen Arzneimittel-Phiolen sauber und dicht verschließen.

Dafür müssen sie das exakte Maß haben und gleichzeitig weich und nachgiebig sein, um so die Impfampullen sicher und fest zu verschließen. Da manche Impfstoffe bei sehr niedrigen Temperaturen gelagert werden, müssen die Verschlüsse außerdem bei extremen Temperaturen funktionieren. Und auch nach einer Weile sollten sie noch genau so gut wie neu sein.

Außerdem müssen die Verschlussstopfen sehr sauber sein, denn sie könnten eine mögliche Quelle von Verschmutzungen sein. Deshalb gelten strenge Vorgaben. An den Stöpseln dürfen keine organischen Partikeln haften und sie dürfen selber auch keine Mikroteilchen oder Substanzen abgeben. Daher werden sie auf Pressen im Reinraum hergestellt.

Mögliche Schmutzquellen bei Reinraum-Anlagen

Auch die Produktionsanlagen, die in einem Reinraum arbeiten, müssen sehr sauber sein. Maschinenhersteller achten besonders sorgfältig auf die folgenden Punkte:

  • Oberflächen
    Lackierte Oberflächen von Maschinen können, wenn sie heiß werden, kleinste Risse bilden, wobei sich Farbe löst. Diese verschmutzt dann den Reinraum. Deswegen werden Innenräume und Außenverkleidungen meist komplett aus rostfreiem Edelstahl oder Aluminium hergestellt. Außerdem sind Oberflächen so gestaltet, dass sie einfach gereinigt werden können.
  • Bewegte Maschinenteile
    Maschinen haben Komponenten, die sich bewegen. Damit bei der Reibung keine Partikel entstehen, werden bevorzugt Materialien verwendet, die nicht mit Ölen oder Fetten geschmiert werden müssen.
  • Flüssigkeiten
    Manchmal geht es nicht ohne Flüssigkeiten. So benötigen beispielsweise Bremsen in Maschinen Öl. In solchen Fällen, in denen auf Hilfs- und Schmierstoffe nicht verzichten werden kann, sollten ausschließlich ungiftige und unbedenkliche Materialien eingesetzt werden. Gleichzeitig sind alle betroffenen Bereiche so zu kapseln und abzudichten, dass keine Flüssigkeiten austreten können.
  • Luft
    Dass Anlagen, die in Reinräumen eingesetzt werden, überhaupt keine Partikel abgeben, ist vielleicht technologisch möglich, lässt sich aber nicht bezahlen. Es ist in der Regel auch nicht notwendig. Stattdessen sorgen spezielle Technologien dafür, die Bewegung von Partikeln so zu steuern, dass sie den geringstmöglichen Einfluss auf die Umgebung und die Produktion haben.

In einem eigenen Blogbeitrag haben  wir uns mit der Frage beschäftigt, wo Kunststoff in der Medizin überall eingesetzt werden kann.