WICKERT baut Composite-Pressensystem für Flugzeugbauer
Pressen und Pressensysteme finden Anwendung im Flugzeugbau. Das ist auch den führenden Flugzeugbauern bekannt. WICKERT erhielt als Spezialist von Pressensystemen den Auftrag des Baus eines Composite-Pressensystems. Die Herausforderungen zur Entwicklung dieses Systems waren zukunftsweisend.
Als am 1. Dezember 2006 der offizielle Projektstart des zweistrahligen Langstreckenflugzeugs Airbus A350 XWB erfolgte, dachte bei WICKERT in Landau in der Pfalz noch niemand daran, Teil dieser innovativen Entwicklung zu sein.
Der größte europäische Flugzeughersteller beauftragt WICKERT
WICKERT entwickelte eine Composite-Presse für die Produktion von Passagiertüren und Frachttoren für das Großraumflugzeug der A 350-Baureihen. Damit startete das bislang anspruchsvollste Projekt des Unternehmens – die Entwicklung eines Composite-Pressen-Systems für Airbus.
Doch was sind die Besonderheiten dieser gewaltigen Flugzeuge? Die Spannweite des A-350 von mehr als 64 Metern übertrifft die des Airbus A 330. Allein in der Basisversion des A 350-800 finden 270 Passagiere Platz. Ein wesentlicher Vorteil dieser Neuentwicklung ist die enorme Treibstoffeinsparung.
Airbus selbst spricht von rund 30 Prozent Einsparung pro Sitzplatz im Vergleich zu einem in dieser Klasse konkurrierendem Flugzeug. Einen wesentlichen Anteil daran hat die Verwendung leichter Hochleistungsmaterialien, wie sie auch für die Flugzeugtüren verwendet werden. Die Tür wird mit einer Presse von WICKERT gefertigt.
Flugzeugtürenfertigung im RTM-Prozess
Die (Karbon-)Faserverbundbauteile, die im sogenannten Resin Transfer Molding Prozess (RTM) gefertigt werden, finden neben dem Flugzeugbau auch in der Automobilindustrie ihren Anwendungsbereich.
Vor allem thermoplastische Faserverbundwerkstoffe bieten große Vorteile mit Blick auf Schweißbarkeit, Prozesszeiten und Recycling. Darüber hinaus sind die Möglichkeiten der Verbundwerkstoffe in Bauteilgeometrie und Design sehr groß.
Ein weiterer Vorteil: Aufgrund der geringen Schmelzviskosität können die thermoplastischen in-situ polymerisierenden Werkstoffsysteme die Faserstrukturen sehr gut durchdringen. Somit lassen sich Strukturbauteile mit einem vergleichsweise hohen Faservolumengehalt bei gleichzeitig guten Impact-Eigenschaften produzieren.
Der RTM-Prozess ist ein geschlossenes Verfahren, in dem in einer Form das Harz (die Matrix) in die Glas- und Kohlenstofffaser eingesaugt (Vakuum) oder auch hineingedrückt (Injektion) wird. Im betrachteten Fall kommt das Injektionsverfahren zum Einsatz.
Pressensystem mit höchstem Qualitätsanspruch
Trotz des „hochkarätigen“ Lastenheftes konnte für die Entwicklung der WKP 2 500 S - Composite Press auf das bewährte modulare System der WICKERT Oberkolbenpressenzurückgegriffen werden. Beim Fertigungsprozess wurde mit der größtmöglichen Sorgfalt vorgegangen. Allerdings war der Prozess auch nicht einfach.
Die Karbonteile durften keinem Ölnebel ausgesetzt sein. Dies ist bei einer hydraulischen Oberkolbenpresse kein einfaches Unterfangen, da die hydraulischen Systeme „atmen“.
Individuelle Lösung
WICKERT schaffte es jedoch eine individuelle Lösung zu erarbeiten, um den Anforderungen gerecht zu werden. Die langjährigen Erfahrungen aus der pharmazeutischen Reinraumtechnologie haben dabei sehr geholfen.
Höchste Leckage-Sicherheit garantiert die vollständige Einhausung des Pressbereiches sowie der kompletten Pressentechnik-Peripherie mit Hydraulikanlage und Elektrik.
Die Steuerung und Prozess-Visualisierung der WKP 2 500 S - Composite Press umfasst weit mehr als die Presse selbst: Auch der Injektor, die Heiz- und Kühlanlage sowie das Pressenshuttle sind in dieses Steuerungssystem integriert.
Technische Eigenschaften der Presse
Weitere technische Details sollen dabei helfen, einen Eindruck von der Presse zu bekommen.
Sie verfügt über einen Schließdruck von 2 500 kN und besitzt Aufspannplatten in den Abmessungen von 2 400 x 1 800 mm.
Der Kolbenhub beträgt 1 000 mm und die Einbauhöhe 1 200 mm. Darüber hinaus besitzt die Presse eine jeweils festinstallierte obere und untere Form. Via Shuttle erfolgt die vollautomatische Bestückung mit der aus einem Hochregallager zugeführten Mittelform.
Das vollautomatische Transport- und Handhabungssystem übernimmt auch den Rücktransport nach dem Prozess. Die Zykluszeit im Fertigungsbetrieb bei Eurocopter in Donauwörth beträgt pro Flugzeugtüre etwa sechs Stunden.
Dokumentation bis ins kleinste Detail
Eine weitere hohe Hürde im Rahmen des Gesamtkonzepts war das für den Einsatz in der Luft- und Raumfahrtindustrie erforderliche, sehr umfangreiche Datenerfassungsprogramm.
Jedes Teil verlangt die detaillierte Dokumentation des Fertigungsprozesses einschließlich der Rückverfolgung bei allen Bedienerhandlungen. Ein prozessinterner Back-up-PC übernimmt zusätzliche Sicherungsfunktionen. Auch für den Stromausfall ist vorgesorgt.
Mit der hier vorgestellten Lösung zeigt WICKERT erneut, dass hydraulische Pressen höchsten Fertigungsansprüchen gerecht werden können.